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Wie die Soziale Arbeit das Darknet im Stich ließ

In den letzten sieben Jahren habe ich mich intensiv mit dem Thema Darknet und dessen Relevanz für die Soziale Arbeit auseinandergesetzt. Was zunächst als Nischenthema begann, entwickelte sich zu einer faszinierenden Forschungsreise, die insbesondere die Situation geflüchteter Frauen aus Syrien im Darknet unter die Lupe nahm. Doch trotz der offensichtlichen Bedeutung und Brisanz dieses Themas stoße ich immer wieder auf Desinteresse und bestenfalls oberflächliches Erstaunen – eine Reaktion, die zunehmend frustrierend ist und mich dazu veranlasst, kritisch über meine und die Rolle der Sozialen Arbeit in diesem Kontext nachzudenken.

Das Darknet, ein oft missverstander und stigmatisierter Teil des Internets, wird in den Medien hauptsächlich mit Kriminalität, illegalen Marktplätzen und zwielichtigen Aktivitäten in Verbindung gebracht. Diese einseitige Darstellung verdeckt jedoch eine wichtige Facette: Das Darknet bietet auch Schutzräume für Menschen, die sich in Gefahr befinden, verfolgt werden oder keinen sicheren Zugang zu lebenswichtigen Informationen haben. Besonders für geflüchtete Frauen aus Krisengebieten wie Syrien kann das Darknet eine unverzichtbare Ressource sein, um sich zu vernetzen, Unterstützung zu finden und ihre Geschichten anonym zu teilen, ohne Repressalien befürchten zu müssen.

Die Verbindung zwischen dem Darknet und grundlegenden Menschenrechten, insbesondere dem Recht auf Zugang zu Informationen und Schutz vor Verfolgung, ist offensichtlich. Dennoch bleibt das Thema in der Sozialen Arbeit weitgehend unbeachtet. In den letzten Jahren habe ich begonnen, Seminare für Fachkräfte anzubieten, um das Bewusstsein und das Wissen über das Darknet zu erweitern. Doch auch hier ist die Resonanz ernüchternd gering.

Diese Ignoranz wirft wichtige Fragen auf: Warum wird ein so relevantes Thema in der Sozialen Arbeit systematisch vernachlässigt? Liegt es an der Angst vor dem Unbekannten? Der vermeintlichen Komplexität des Themas? Oder vielleicht an der fehlenden Bereitschaft, sich mit den vermeintlich dunklen Seiten des Internets auseinanderzusetzen?

Meine Erfahrungen in Seminaren und Workshops zeigen ein wiederkehrendes Muster: Die Teilnehmenden signalisieren anfänglich Interesse und Bereitschaft, das Thema ernst zu nehmen. Sie nicken zustimmend und betonen die Bedeutung des Darknets für die Soziale Arbeit. Doch dieser anfängliche Enthusiasmus verpufft oft schnell, wenn es darum geht, konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Die Bereitschaft, sich tatsächlich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen und es in die Praxis umzusetzen, fehlt häufig.

Stattdessen wird das Thema oft vorschnell als Sonderfall abgetan, der nicht in den regulären Rahmen der Sozialen Arbeit passt. Diese Sichtweise verhindert, dass das Darknet die notwendige Aufmerksamkeit und die entsprechenden Ressourcen erhält. Dabei übersehen viele Fachkräfte, dass vieles, was im Darknet geschieht, im Wesentlichen mit den Methoden und Prinzipien der Sozialen Arbeit adressiert werden kann.

Die Probleme, die im Darknet auftauchen – sei es die Suche nach Schutz und Unterstützung, die Notwendigkeit sicherer Kommunikationskanäle oder die Anonymität in gefährlichen Situationen – sind keineswegs neu für die Soziale Arbeit. Sie spiegeln vielmehr die Kernaufgaben wider, denen sich die Profession seit jeher verschrieben hat: sich für die Rechte und das Wohlergehen aller Menschen einzusetzen, insbesondere für diejenigen, die marginalisiert oder gefährdet sind.

Es ist enttäuschend zu sehen, dass die Soziale Arbeit das Potenzial des Darknets nicht erkennt und somit Menschen seit Jahren im Stich lässt, die auf diese Art von Unterstützung angewiesen sind. In meinem Bestreben, das Bewusstsein für dieses wichtige Thema zu schärfen, habe ich unzählige Livestreams, Videos, Podcasts und Live Talks bei kleinen und großen Trägern abgehalten. Bei Jahrestagungen, Suchthilfeveranstaltungen, Selbsthilfetreffen in Hochschulen, Universitäten, Schulen und sogar Kindergärten, in Beratungsstellen – überall habe ich versucht, die Relevanz des Darknets für die Soziale Arbeit zu vermitteln. Doch trotz all dieser Bemühungen war kein nachhaltiges Interesse zu spüren.

Was mich jedoch noch mehr erschüttert hat, ist die Tatsache, dass ich persönlich mehr Anfeindungen und Kritik aus den Reihen der Fachkräfte erfahren habe als von den Akteuren im Darknet selbst. Die Kritik an meinen Veranstaltungen und meinem Engagement ging weit über sachliche Diskussionen hinaus und hatte teilweise schwerwiegende Konsequenzen. In einigen Fällen führte der Widerstand sogar zur Auflösung bestehender Verträge. Organisationen, die zunächst Interesse an meinen Vorträgen und Workshops gezeigt hatten, zogen sich zurück. Es gab Versuche, Einfluss auf den Inhalt meiner Präsentationen zu nehmen, wobei mir nahegelegt wurde, bestimmte Aspekte meiner Arbeit auszusparen oder zu beschönigen. Diese Einflussnahme ging so weit, dass ich mich zwischen der Integrität meiner Arbeit und der Durchführung der Veranstaltungen entscheiden musste. Die Intensität der Ablehnung, die mir entgegen schlug, war überraschend und entmutigend zugleich. Während ich im Darknet selbst auf Menschen traf, die offen für Dialog und interessiert an konstruktiven Lösungen waren, erlebte ich in meinem eigenen professionellen Umfeld oft Verschlossenheit und irrationale Ängste. Es schien, als ob allein die Erwähnung des Darknets ausreichte, um reflexartige Abwehrreaktionen hervorzurufen. Diese Erfahrungen haben mir deutlich vor Augen geführt, wie tief verwurzelt die Vorurteile und Ängste gegenüber dem Darknet in der Fachwelt der Sozialen Arbeit sind. Es zeigt sich ein besorgniserregendes Maß an Unwissenheit und Unwilligkeit, sich mit neuen, möglicherweise unbequemen Realitäten auseinanderzusetzen. Statt offener Diskussionen und kritischer Reflexion begegnete ich oft einer Mauer des Schweigens oder aktiver Feindseligkeit. Trotz der überwiegend negativen Erfahrungen gab es auch Lichtblicke in Form von Einrichtungen, die ehrliches Interesse an der Thematik des Darknets zeigten. Diese positiven Ausnahmen waren ermutigend und zeigten, dass es durchaus Fachkräfte und Organisationen gibt, die bereit sind, sich mit neuen und herausfordernden Themen auseinanderzusetzen.

Allerdings war selbst in diesen Fällen eine gewisse Ambivalenz spürbar. Einerseits bestand ein aufrichtiges Interesse, mehr über das Darknet und seine Bedeutung für die Soziale Arbeit zu erfahren. Andererseits waren auch hier Anzeichen von Unsicherheit und Angst zu beobachten. Die Einflussnahme von außen war auch bei diesen interessierten Parteien nicht zu übersehen. Möglicherweise aus Sorge vor negativen Reaktionen von Vorgesetzten, Geldgebern oder der Öffentlichkeit. Diese Erfahrungen zeigen, wie tief verwurzelt die Ängste und Vorbehalte gegenüber dem Darknet selbst in aufgeschlossenen Kreisen der Sozialen Arbeit sind. Es offenbart eine komplexe Dynamik: Einerseits gibt es ein Bewusstsein für die potenzielle Relevanz des Themas, andererseits herrscht eine tiefe Verunsicherung darüber, wie man damit umgehen soll. Die spürbare Angst in diesen Situationen weist auf ein größeres Problem hin: den Mangel an einem sicheren Rahmen für die offene Diskussion kontroverser Themen in der Sozialen Arbeit. Es scheint, als fehle es an einer Kultur, die es erlaubt, sich kritisch und vorurteilsfrei mit neuen Herausforderungen auseinanderzusetzen, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.

Diese Erfahrungen unterstreichen die Notwendigkeit, nicht nur Wissen über das Darknet zu vermitteln, sondern auch einen breiteren Dialog über Innovation, Risikobewertung und ethische Herausforderungen in der Sozialen Arbeit zu führen. Es braucht Räume, in denen Fachkräfte und Organisationen offen über ihre Bedenken und Ängste sprechen können, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Nur so kann eine konstruktive Auseinandersetzung mit komplexen Themen wie dem Darknet stattfinden und letztendlich zu einer Verbesserung der Unterstützungsangebote für vulnerable Gruppen führen.

Trotz dieser Widerstände bleibe ich überzeugt von der Notwendigkeit, das Thema Darknet in der Sozialen Arbeit zu adressieren. Die Erfahrungen haben mich zwar erschüttert, aber nicht entmutigt. Sie bestärken mich vielmehr in der Überzeugung, dass noch viel Aufklärungsarbeit nötig ist, um die Soziale Arbeit für die Herausforderungen und Chancen des digitalen Zeitalters zu wappnen.

Die mangelnde Resonanz und das fehlende Engagement haben mich zu einer schweren Entscheidung gezwungen: Ich werde vorerst keine Seminare, Onlineseminare oder ähnliche Veranstaltungen für Bildungseinrichtungen mehr zum Thema Darknet und Soziale Arbeit anbieten. Diese eine verbleibende Veranstaltung wird nur noch im kleinen Rahmen stattfinden – eine bedauerliche Entwicklung angesichts der Wichtigkeit des Themas. Diese Entscheidung ist nicht leicht gefallen, aber sie ist notwendig, um meine Ressourcen und Energie auf Bereiche im Darknet zu konzentrieren, in denen sie effektiver genutzt werden können.

Es ist wichtig, an dieser Stelle auch meine eigene Position als Unternehmer zu reflektieren. Natürlich habe ich ein wirtschaftliches Interesse daran, Dienstleistungen (wie z.b. psychosoziale Onlineberatung im Darknet) anzubieten und dafür eine angemessene Finanzierung zu erhalten. Diese Situation spiegelt einen größeren Trend in der Sozialen Arbeit wider: die zunehmende Verlagerung von klassischer, öffentlich finanzierter Sozialer Arbeit hin zu Modellen, in denen private Unternehmen soziale Dienstleistungen anbieten.

Diese Entwicklung wirft wichtige Fragen auf: Wie verändert sich die Landschaft der Sozialen Arbeit durch die Beteiligung privatwirtschaftlicher Akteure? Welche Chancen und Risiken ergeben sich daraus für die Qualität und Zugänglichkeit der Angebote? Und wie können wir sicherstellen, dass trotz wirtschaftlicher Interessen das Wohl der Klienten und die ethischen Grundsätze der Sozialen Arbeit im Vordergrund bleiben?

Als Unternehmer, der psychosoziale Beratung fachlich anbieten könnte, sehe ich mich in der Verantwortung, innovative Ansätze wie die Nutzung des Darknets für vulnerable Gruppen zu erforschen und zu implementieren. Gleichzeitig muss ich offen eingestehen, dass ich dafür eine angemessene Finanzierung benötige, um nachhaltig arbeiten zu können. Dies steht nicht im Widerspruch zu den Zielen der Sozialen Arbeit, sondern kann vielmehr als Chance gesehen werden, neue Wege zu erschließen und Lücken im bestehenden Versorgungssystem zu schließen.

Dennoch ist es wichtig, dass wir als Profession wachsam bleiben und kritisch reflektieren, wie sich die Einbindung privatwirtschaftlicher Akteure (wie mir selbst) auf die Ausrichtung und Praxis der Sozialen Arbeit auswirkt. Es gilt, eine Balance zu finden zwischen unternehmerischer Innovation und dem Kernauftrag der Sozialen Arbeit. Die Herausforderung besteht darin, neue Themen wie das Darknet in die Soziale Arbeit zu integrieren und dabei sicherzustellen, dass die Angebote für alle zugänglich bleiben und nicht nur denjenigen vorbehalten sind, die sie sich leisten können.

In diesem Kontext ist es umso frustrierender, wenn innovative Ansätze wie die Nutzung des Darknets z.B. in der psychosozialen Beratung auf wenig Resonanz stoßen. Es zeigt, dass es nicht nur darum geht, Angebote zu entwickeln und zu finanzieren, sondern auch darum, das Bewusstsein und die Akzeptanz für neue Methoden in der Fachgemeinschaft zu fördern. Als Unternehmer und Fachkraft sehe ich es als meine Aufgabe, weiterhin für die Relevanz solcher Ansätze zu sensibilisieren, auch wenn dies bedeutet, gegen Widerstände und Desinteresse anzukämpfen.

Dennoch bleibt die Überzeugung: Es ist höchste Zeit, dass die Soziale Arbeit das Darknet nicht länger ignoriert. Wir müssen uns weiterbilden, uns austauschen und die Potenziale dieses Mediums erkennen. Nur so können wir sicherstellen, dass wir wirklich alle Menschen erreichen und unterstützen, die unsere Hilfe benötigen. Das Darknet ist kein isoliertes technisches Phänomen, sondern ein menschenrechtsprofessionelles Thema, das nicht länger vernachlässigt werden darf.

Die Zukunft der Sozialen Arbeit sollte den Mut beinhalten, neue Wege zu gehen und innovative Lösungen zu finden, um die Welt ein Stück gerechter zu machen. Das bedeutet auch, sich mit unbequemen und komplexen Themen wie dem Darknet auseinanderzusetzen. Wir müssen verstehen, dass das Darknet nicht nur ein Ort der Kriminalität ist, sondern auch ein Raum für Freiheit, Sicherheit und Selbstbestimmung sein kann – Werte, die für die Soziale Arbeit von fundamentaler Bedeutung sind.

Es ist an der Zeit, dass Träger der Sozialen Arbeit und Fachkräfte ihre Verantwortung wahrnehmen und das Thema Darknet in ihre Praxis integrieren. Wir brauchen eine offene Diskussion über die ethischen Implikationen, die technischen Herausforderungen und die praktischen Anwendungsmöglichkeiten des Darknets in der Sozialen Arbeit. Nur durch eine fundierte Auseinandersetzung können wir die Chancen nutzen und gleichzeitig die Risiken minimieren.

Abschließend möchte ich an alle Akteure der Sozialen Arbeit appellieren: Lasst uns das Darknet nicht länger im Stich lassen. Es ist unsere professionelle und ethische Pflicht, uns mit allen Aspekten der digitalen Welt auseinanderzusetzen, die das Leben und die Rechte der Menschen beeinflussen, für die wir arbeiten. Das Darknet mag komplex und manchmal beängstigend erscheinen, aber es ist ein Teil der Realität vieler Menschen – und damit ein legitimes und notwendiges Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit.

Mögen diese Worte als Weckruf dienen und eine neue Ära der Auseinandersetzung mit dem Darknet in der Sozialen Arbeit einläuten. Denn nur wenn wir bereit sind, über unseren traditionellen Tellerrand hinauszublicken und uns neuen Herausforderungen zu stellen, können wir unserem Auftrag gerecht werden: Menschen in allen Lebenslagen zu unterstützen und zu einer gerechteren Gesellschaft beizutragen.